Wenn Dienstleistungen oder Richtlinien schlecht konzipiert und umgesetzt werden, können Menschen das Gefühl haben, nicht respektiert, wenig wertgeschätzt oder gar diskriminiert zu werden. Das kennen alle, die schon einmal stundenlang in einer Warteschlange in einem Verwaltungsgebäude gestanden haben, nur um dann gesagt zu bekommen, dass man an einem anderen Tag wiederkommen muss oder das falsche Formular ausgefüllt hat. Viele erleben es ebenso, wenn man sich beim Ausfüllen eines unverständlichen Formulars die Haare raufen möchte. Abgesehen davon, dass vor allem durch Diskriminierung die Würde der Bürger:innen verletzt wird, können solche Erfahrungen für den Einzelnen und die Gesellschaft wirtschaftliche und soziale Kosten nach sich ziehen.
Mancher Verwaltungsaufwand entsteht bewusst. Andere Arten von Verwaltungsbürden hingegen entsteht unbeabsichtigt, so wohlmeinend die Intention der Entscheidungsträger:in auch war. Das Gemenge aus Kulturen, Systemen und stark einschränkenden Richtlinien hindert Mitarbeiter:innen des öffentlichen Dienstes oft daran, im Sinne der Bürger zu handeln.
Zum Beispiel kann eine Verwaltung, die ein Mandat zur organisatorischen Effizienz verfolgt (d.h. "Erhebe X Steuerbeträge für weniger als die Kosten Y"), den Bürger:innen sowohl enorme Unannehmlichkeiten als auch hohe Kosten auferlegen, indem sie diese bspw. zwingt, für Steuerberater zu bezahlen, die unverständlichen Papierkram ausfüllen.
Diese Kompetenz konzentriert sich deshalb auf das allzu häufige Phänomen, dass gut gemeinte Maßnahmen und Dienstleistungen dazu führen, dass sich die Nutzer;innen oder Kund:innen der Behörden unglücklich, erniedrigt oder sogar diskriminiert fühlen, während die offiziellen Leistungsdaten "Grün - alles ist gut" zeigen.
Der Kern dieser Kompetenz - der Nutzerorientierung - ist die Idee, dass Führungskräfte im öffentlichen Dienst die Erfahrungen der Nutzenden einer Dienstleistung die Gegenstand der öffentlichen Politik sind, wertschätzen und letztendlich nicht nur die Ergebnisse einer Politik umsetzen.
Dies steht im Widerspruch zu der Ausrichtung auf Budgets und Ziele, die im Mittelpunkt vieler Ausbildungsprogramme des öffentlichen Diensts stehen. Eine traditionelle Ausbildung im öffentlichen Dienst lehrt die Menschen, Leistungen zu erbringen und den Erfolg anhand von ergebnisorientierten Zielen zu messen, bspw. wie "80 % der Menschen in Arbeit vermittelt" oder "90 % der Menschen erhalten Impfungen". Sie legt wenig Wert auf die Erfahrungen der Menschen, die Gegenstand solcher Maßnahmen sind, oder auf das Leben der öffentlichen Bediensteten, die sie verwalten.
Indem wir behaupten, dass diese Kompetenz wichtig ist, argumentieren wir, dass eine öffentliche Verwaltung, die alle ihre Ziele erreicht, aber gleichzeitig ihre Bürger:innen erschöpft und unglücklich macht, keine erfolgreiche öffentliche Verwaltung ist. Bei dieser Kompetenz geht es jedoch um mehr, als nur darum, eine Haltung zugunsten einer wertschätzenden Behandlung der Menschen einzunehmen. Sie umfasst eine Sammlung der Kompetenzen und Fähigkeiten, die erforderlich sind, um diese Haltung zu unterstützen. Zwei Fähigkeiten sind besonders wichtig.
Die erforderliche Schlüsselkompetenz ist ein grundlegendes Verständnis von Service Design. Genauer gesagt muss man erkennen können, wie Dienstleistungen erfolgreich gestaltet werden müssen, um die Bedürfnisse der Benutzer:innen in einem Verwaltungskontext zu erfüllen. Das bedeutet, dass man die verschiedenen Phasen des Service Designs kennen muss: Angefangen damit, sich Zeit für die Erforschung und das Verständnis der Bedürfnisse der Nutzer:innen zu nehmen, bis hin zur Gestaltung und Visualisierung von Prototypen als Teil eines iterativen Prozesses.
Unsere Liste der acht Kernkompetenzen ist so gestaltet, dass sie neben den aktuellen bestehenden Kompetenzen angesiedelt werden kann, die oft in Hochschulen für öffentliche Verwaltung gelehrt werden. Alle acht Kompetenzen repräsentieren daher Fähigkeiten, die entweder aktuell nicht an öffentliche Bedienstete vermittelt werden, oder Fähigkeiten, die aktualisiert werden können, um im digitalen Zeitalter weiterhin effektiv zu sein.
Wir haben die Kompetenz Nutzerorientierung entwickelt, weil in der Lehre der öffentlichen Verwaltung zu sehr davon ausgegangen wird, dass public policies dann erfolgreich sind, wenn ein wichtiges soziales oder wirtschaftliches Ergebnis erreicht wird, unabhängig von Nebeneffekten auf das Leben der jeweiligen Anspruchsgruppe. Unser Ziel ist es, die Erfahrung der Bürger:innen mit public policies oder öffentlichen Dienstleistungen auf die gleiche Bedeutungsebene zu heben wie traditionellere Begriffe, inklusive "Wirkung" oder "Preis-Leistungs-Verhältnis".
Das digitale Zeitalter bietet die Möglichkeit, Dienstleistungen kostengünstig und in großem Umfang zu erbringen. Allerdings distanziert es auch öffentliche Organisationen von ihren Stakeholdern. Die Online-Bereitstellung von Dienstleistungen kann bedeuten, dass sich Anspruchsgruppen und öffentliche Bedienstete nie von Angesicht zu Angesicht treffen oder miteinander sprechen. Dies schränkt die Fähigkeit der Organisationen in der Sammlung von Erfahrungen über diejenigen, denen sie dienen, diese zu verstehen und von ihnen zu lernen, stark ein.
Da sie die positiven Externalitäten der physischen Welt verliert, muss eine öffentliche Verwaltung im digitalen Zeitalter bewusster darauf achten, von den Nutzer:innnen zu lernen.
'What we mean by Service Design' - Lou Downe